Das Allmediachannels Audio-ABC: S wie Soundprocessing

Wie soll ein Radiosender klingen? Diese Frage mag erst einmal verblüffen, weil natürlich ein Radiosender toll klingen soll – lebendig, fröhlich, frisch, knackig und vor allem kraftvoll! Der Hörer will auch nicht dauernd lauter oder leiser drehen, alles soll gleichmäßig klingen. Die Musik darf nicht verzerrt sein, und der Hörer muss alles verstehen, was gesprochen wird, auch wenn er zum Beispiel im Auto unterwegs ist. Es geht vor allem um die Lautheit (englisch loudness), das ist eine psychoakustische Größe, die angibt, wie Testpersonen die empfundene Lautstärke eines akustischen Signals einschätzt. Jeder Mensch hat ein ganz eigenes Lautstärkeempfinden. Und dem Sender ist sicher viel daran gelegen, eine unverwechselbare Klangfarbe zu haben, die zur Art der gesendeten Musik passt.

Das zu erreichen, ist aber extrem schwierig. Vielleicht ist es sogar heute digital schwerer als früher im analogen Zeitalter. Dazu später mehr! Zuerst einmal zur Geschichte des Soundprocessings: Anfangs ging es nur darum, ein Übersteuern zu vermeiden, denn Übersteuerungen führen zu Störungen bei benachbarten Sendern. Da setzt es schnell Bußgelder der Behörden wie in Deutschland der Bundesnetzagentur. In den 1970er Jahren erkannten Sender in den USA, wie viel mit einem guten Soundprocessing herauszuholen ist, Firmen wie die von Bob Orban entwickelten Geräte wie den Optimod. Mit ihm können Pegel, Dynamik und Frequenzspektrum des Audiosignals in Echtzeit bearbeitet werden. Mit dem Aufkommen des Privatfunks schwappte die Soundprocessing-Welle auch zu uns.

Die Schwierigkeit: Leise Musikpassagen sollen lauter, zu laute Passagen leiser gemacht werden, um ein einheitliches Hörerlebnis zu bieten. Doch es kann viel schief gehen, wenn das Soundprocessing nicht optimal eingestellt ist: Wenn die Kompression nicht optimal ist, entsteht der Eindruck, die Lautstärke würde „pumpen“. Es kommt auch vor, dass laute Passagen „gequetscht“ klingen. Probleme macht besonders, dass die Musikindustrie heutzutage alle Songs stark komprimiert bereitstellt, damit ist wesentlich weniger Dynamik vorhanden als bei einer Rockballade, die Anfang der 1980er Jahre abgemischt wurde. Beide Musikstücke sollen aber perfekt klingen, wenn sie hintereinander ausgestrahlt werden.

Und bei DAB+ ergeben sich noch andere Schwierigkeiten. Übersteuerungen führen unweigerlich zu schlimmsten Verzerrungen. Außerdem stehen den Sendern bei DAB+ nicht die Bitraten zur Verfügung, die sie eigentlich benötigen: Mit einer Datenrate von nur 72 kBit/s oder 80 kBit/s klingen viele Sender daher schlechter als über UKW. Man könnte über DAB+ einen dynamischen, natürlichen Klang senden, weil man ja kein Rauschproblem hat. Viele Sender bleiben aber beim stark komprimierten Musiksound. Mit diesem kommt aber der DAB+-Codec nicht zurecht und es entstehen digitale Artefakte, also störende Geräusche. Das Soundprocessing beim Radio bleibt also eine echte Wissenschaft.